Hallo Ratlos,
Natürlich müssen alle anderen Dinge abgeklärt werden, um diese als Auslöser auszuschließen - das ist die Differentialdiagnostik. Es gibt leider kein Kriterium das sagt, "So, das ist jetzt Trans*". Die einzige Möglichkeit, die ein Therapeut hat ist zu prüfen was es sonst alles sein könnte (Intersexualität, Testosteron- bzw. Östrogenresistenz, Schizophrenie und andere psychische Störungsbilder - das sind nur die, die mir auf die Schnelle einfallen...) und wenn das alles nicht zutrifft, aber diese Gewissheit im falschen Körper zu sein trotzdem da ist, dann wird es erst als Trans* "attestiert". Wenn du aus rein objektiven Gründen das Gefühl hast, dass sie nicht Trans* sein könnte, dann wird das einem Psychologen ebenfalls auffallen, und er wird umso genauer hinschauen um wirklich alle anderen Ursachen auszuschließen.
Ich (zum Beispiel und ich denke da spreche ich auch für die anderen) sage nicht, dass sie tatsächlich Trans* ist. Die Grenze zwischen den Geschlechtern ist fließen und jeder muss seine Position in diesem Spektrum finden - die meisten tun das ohne jemals darüber nachzudenken. g
Vielleicht hilft dir ja dieser TEDx Vortrag (falls du englisch kannst) etwas gelassener damit umzugehen:
https://www.youtube.com/watch?v=YOkyc91eY90 besonders ab 10:20min interessant.
Warum es ihr Stress bereitet darüber zu reden ist eigentlich ganz einfach ... Das war bei mir am Anfang auch nicht anders und bei vielen anderen betroffenen wahrscheinlich auch ... Es ist ein wahnsinnig intimes Thema. Man ist sich selbst zum Teil (gerade in der Anfangszeit) nicht sicher und zweifelt mit unter auch am eigenen Geisteszustand bis man es (wenn es wirklich so ist) auch für sich selbst akzeptieren kann. Das ist oft ein langer Weg! Bei mir hat es zwischen der inneren Gewissheit "okay, ich weiß ich bin eigentlich eine Frau" bis "mist ich muss dazu stehen sonst gehe ich daran kaputt" fast drei Jahre gedauert... Erst nach dem ich mir sicher war und wusste, dass ich dazu stehen muss, habe ich mich in therapeutische Behandlung begeben. Bis dahin habe ich alles in mich rein gestopft und hätte alles getan, damit es nur niemandem auffällt! Schließlich möchte man selbst ja auch ein "normales" Leben. Meinen Eltern habe ich es ebenfalls erst nach mehreren Stunden Psychoterapie erzählt - davor hab ich mit ihnen kein Wort über das Thema gewechselt.
Ich finde auch echt gesagt nach einer Sitzung beim Therapeuten zu sagen, ja es ist so und nach nur einem halben Jahr die medizinischen Eingriffe zu starten echt sehr kurz. Andere Erkrankungen werden Jahre therapiert. Das ist mir echt alles zu leicht gesagt und zu schnell geschossen.
Die Diagnose stand so schnell, weil ich mir selbst davor schon sicher war, und ich keinerlei Anzeichen sonstiger psychischer oder körperlicher Faktoren zeigte, die das ganze "vortäuschen" könnten. Bevor die Hormontherapie eingeleitet wurde, wurde auch vom Endokrinologen ein komplettes Screening inkl. Chromosomenbestimmung und sämtlicher Blutwerte gefahren (die Liste mit den Ergebnissen hat 3 Seiten - jede Zeile ein neuer Wert

...) um auch medizinische Ursachen auszuschließen.
Mag sein, dass es für eine aussenstehende so aussieht, als ob es schnell gegangen wäre, aber wenn man sich seiner Sache sicher ist, ist jeder Tag bis endlich angefangen werden kann an der riesigen Lücke zwischen empfundenem selbst und realem selbst zu arbeiten eine Qual.
Vielen kommt es nicht darauf an wirklich in allen Details perfekt zu sein. Manche möchten nur als das was sie sind wahrgenommen werden - und das passiert aufgrund von Brust/kein Brust, Bart/kein Bart und den anderen sichtbaren Faktoren. Es geht niemanden außer dem Partner etwas an, was sich in der Hose befindet - und normalerweise ist es nach außen auch nicht sichtbar

Wer sagt, dass es keine Beziehung geben wird? Kennst du das Sprichwort "Jeder Topf findet einen Deckel"? Früher oder später. Das erinnert mich etwas an die Schwarzmalerei meines Vaters ("du versaust dir dein ganzes Leben, du wirst keinen Job haben, keine Partnerschaft etc. ..."). Und was ist bis jetzt von den Szenarien zutreffend? Nichts ... Mir geht es so gut wie noch nie (es sagen auch alle mit denen ich zu tun habe dass ich einen sehr viel glücklicheren Eindruck mache), ich habe davor als Projektmanagerin gearbeitet und mache das nach wie vor, meine Noten in der Uni haben sich aufgrund des geringeren psychischen Ungleichgewichts verbessert ... Einzig und allein hab ich im Moment keinen Parter - aber nicht weil das nicht geht, sondern weil meine letzte Partnerschaft noch nicht so lange her ist und ich im Moment nichts neues anfangen möchte.
Du siehst, es muss nicht unbedingt alles schlecht werden. Schwarzmalerei bring nichts, damit schadet man der eigenen Gesundheit in dem man sich ständig um alles sorgen macht und auch der seiner Mitmenschen - weil es wahnsinnig anstrengend ist gegen einen Pessimisten mit gesundem realismus/optimismus anzukämpfen

Es tut mir leid wenn ich bei euch als "Stressmutter" rüber komme aber es ist eigentlich nur ein verzweifeltes versuchen zu verstehen. Mittlerweile bin ich sogar der Meinung ich hätte nie ein Kind bekommen sollen, lief eh alles schief.
Also ich finde es wesentlich schlimmer wenn ein Kind stirbt oder eine körperliche/geistige Behinderung hat... Ich weiß zwar nicht, welche Probleme du sonst noch mit deinem Kind hattest, aber es gibt bei weitem schlimmeres als möglicherweise Trans* ... Wenigstens besteht da die Möglichkeit einer "Heilung", die es ermöglicht ein weitgehend normales Leben zu führen. Die Option hat ein Querschnittsgelähmter nicht ............
LG Steffi